»Mit der Arbeit die vier Philosophen führt uns Karl Weibl zurück in die Zeit Roms um Christi Geburt. Dort lokalisiert er eine der Wurzeln unseres Denkens. Die Schriften von Lukrez, Seneca, Cicero und Mark Aurel, sowie ihr nachhaltiges Wirken auf unsere Zeit erscheint durch die dichte, überwältigende Präsenz der jeweils nahezu zwei Meter hohen Torfschichten als eindrückliche Metapher gewachsener Menschengeschichte. Karl Weibls Arbeiten sind nicht Abbildung, sondern Bild der Zeit. Das stille, auratisch-mythische Wirken der vier Torfstelen erinnert an Ewiges. 2000 Jahre Geschichte sind hier durch das Material Torf visualisiert. Karl Weibl schult unser Auge für ein ehrfürchtiges Bewußtsein von Zeit, indem er sie, auf eine eigentümlich archaische Weise sichtbar macht. Zeit scheint uns um so mehr zu entschlüpfen, je präziser wir sie messen. Das Rekurrieren auf die heutigen Möglichkeiten der Chronometrie wirkt sehr viel schnellebiger und endlicher, als die Arbeiten aus langsam, organisch gewachsenem Torf, die mit Vergänglichkeit spielen, sie sogar schöpferisch einsetzen. „Wen kannst du mir nennen, der irgendeinen Wert der Zeit beimißt, der den Tag würdigt, der sich bewußt wird, dass er täglich stirbt. Darin nämlich täuschen wir uns, dass wir den Tod vor uns sehen: ein großer Teil davon ist bereits vorüber; jeden Lebensabschnitt, der hinter uns liegt, hat der Tod in seiner Gewalt. “(1). Diese Warnung Senecas an Lucilius, die Zeit nicht zu nutzen, verrinnen zu lassen, erfährt, in der Auseinandersetzung mit den Arbeiten Weibls, eine tiefe, bewegende Bedeutung. Die in sich ruhenden, auf den ersten Blick sogar statisch wirkenden Stelen, bergen doch in sich die unerbittliche Dynamik des Zeitprozesses: Altern, Fäulnis, Verwitterung ereilen den Torf, jene natürliche Materie, die uns, gleich einer Vanitas, die eigene Sterblichkeit erkennen läßt. So inkorporiert Weibls Werk das komplexe Wechselspiel von Ruhe und Bewegung, Ewigkeit und Verfall, Zeit und der Aufhebung von Zeitempfinden.«
Evelyn Pschak
(1)Seneca, Epistulae morales ad Lucilium, Liber I,
Epistula I

die vier philosophen

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